Die Leser meines alten Blogs kennen meinen Zeitungshaendler schon, der durchaus nicht nur verkauft, sondern die Sachen auch liest und einem zeitgeschichtlichen Plausch nicht abgeneigt ist. Auch wenn ihm der Laden gehoert, ist ihm die Kundenpflege so wichtig, dass er Kundenservice vor Umsatz stellt. Mir selbst bleibt auf diese Weise der Kauf manchen Klatschblattes erspart.
Heute, zum Beispiel, erfuhr ich, dass Herr Seehofer, also der gleiche Seehofer, der vor wenigen Wochen oeffentlich verkuendete, nichts ginge über die Familie, die uebrigens an einen Tisch gehoere, dieser Seehofer habe eine Zweiunddreissigjaehrige geschwaengert. Nun muss sich der Seehofer nach einem groesseren Tisch umsehen, haben wir gelaestert, damit er an demselben seine beiden Frauen und die diversen vorhandenen und noch kommenden Kinder unterbringen kann.
Mein Zeitungshaendler kommt uebrigens aus dem Bayrischen, was seine besondere Beziehung zur bayrischen Politik erklaert und auch so manch verschrobene Vorstellung von allerhand Dingen, die ich anders kenne. Fuer ihn komme ich aus einer vollkommen anderen Welt, die er mit durchaus interessiertem Erstaunen betrachtet So fragte er mich heute, wie das denn "drueben" für die Frauen gewesen sei. Und w i e er fragte, klang das so, als haette er Zweifel, dass wir ueberhaupt unter dem Tisch hervorschauen durften.
Als ich ihm sagte, dass ich mich, hier im Westen angekommen, fuehlte, als sei ich unter Napoleon gelandet, starrte er mich unglaeubig an. Ja, wirklich, berichtete ich ihm, habe man mich vor nicht einmal zwanzig Jahren auf der Bank gefragt, wo denn mein Mann sei. Als ob ich ein eigenes Konto nicht haben duerfte.
Und auch die Tatsache, dass ich nur so viel arbeiten konnte, wie es die halbtaegigen Offnungszeiten des Kindergartens hergaben, war ein grosser Hemmschuh fuer mich. Ich wuerde ja ueber diese Dinge nicht reden, sagte ich, haetten sie sich seither wesentlich veraendert.
Stattdessen fehlen gerade eben auf Arbeit einige Muetter, die ihren Urlaub damit verplempern wuerden, die allzu langen Ferien des Kindergartens abzufedern. Da koennten solche Sachen wie "Elterngeld" die Gebaerfreude der Deutschen nicht sonderlich befluegeln. Das uebrigens, das Elterngeld, ist auch keine neue Erfindung, das hatten wir vor ueber zwanzig Jahren im Osten schon. Nur wenige Muetter kriegten im Anschluss daran keinen Kindergartenplatz. Wohingegen die Frauen hierzulande sich hernach eine ganze Zeit im luftleeren Raum bewegen werden: Die Kinder zu jung fuer eine Einrichtung, Tagesmuetter unerschwinglich. Und ein Einkommen reicht schon lange nicht mehr fuer die vielfältigen Belastungen eines mindestens dreikoepfigen Haushalts.
Meine Zeitungshaendler fragte daraufhin sich oder mich, wie das wohl funktioniert haben koennte, im Osten. (Und unterschwellig wartete ich drauf, dass er sagen wuerde, es habe natuerlich nicht wirklich funktioniert, denn sonst gaebe es den Osten ja noch immer. Was allerdings gleichzeitig die heutigen Vorhaben unserer heutigen Regierung betraechtlich in Frage gestellt haben wuerde.) Und ich antworte ihm, solange, wie neulich bei Siemens, einfach mal so 200 Millionen Euro "verschwinden" koennten, sei von allem noch viel zu viel da. Und eigentlich, vermutlich, wahrscheinlich koennte es auch hier und heute funktionieren - wuerde man nur die richtigen Prioritaeten setzen, "dunkle Kanaele", in denen solcherart Geldmengen "verschwinden", einfach stopfen und das Geld fuer die richtigen Sachen ausgeben.
Mein Zeitungshaendler ist Bayer ... aber trotzdem seeehr tolerant. Obschon selbst Teilnehmer der Marktgesellschaft, hoert er sich mein Gerede jederzeit an, durchaus nicht uninteressiert. Vermutlich, weil er, genauso wie ich, nur ein ganz kleiner Fisch im grossen Teich ist. An 200 Millionen kommen wir beide nicht ran.
man liest heutzutage in zeitungen wie bild und welt, dass "die deutschen" aussterben. also ist herr seehofer ein grosser patriot.
Posted by: David | January 16, 2007 at 12:42 PM
ob es es patriotisch ist, das angenehme mit dem nuetzlichen zu verbinden, sei noch dahin gestellt.
patriotisch waere es jedoch, vielen deutschen wieder lust auf nachwuchs zu machen. so lange die dinge so sind, wie oben beschrieben, und Kinder ein Luxus, wird´s wohl nichts mit dem arterhalt im grossen stil.
Posted by: erphschwester | January 16, 2007 at 05:31 PM
Dass die Kampagne gegen Seehofer gerade jetzt der große Aufmacher ist, wenn es Stoiber an den Kragen geht, ist aber sicher kein Zufall...
Posted by: littleandy | January 17, 2007 at 02:03 AM
vermutlich,äääh ... ganz sicher nicht.
Posted by: erphschwester | January 17, 2007 at 12:17 PM